Die neuen Säle
Nachdem das Land 1853 mit Edouard Bénazet einen zehn Jahre dauernden Pachtvertrag abgeschlossen hatte, konnten notwendig gewordene Umbau- und Erweiterungsmassnahmen in Angriff genommen werden. Hintergrund der Erweiterung war vor allem der Wunsch, dass die "höhere und bessere Gesellschaft vom dem großen, sehr gemischten Publikum sich getrennt versammeln könne" (Zitat eines Schreibens vom Bezirksamt an das Innenministerium). Die Pariser Eisenbahn hatte nämlich wohl recht günstige Preise, was natürlich auch Menschen nach Baden-Baden brachte "welche nicht zur guten Gesellschaft gehören...und so wird es ein Bedürfniß werden, einige Lokalitäten zu haben, in welche nur eine ausgewähltere Gesellschaft Zutritt hat".
Die "neuen" Säle - heute sind dies die von der Spielbank genutzten Räumlichkeiten - wurden im französischen Zeitgeschmack der 1850er üppigst ausgestattet im Stil von Ludwig XIII. bis Ludwig XVI.. Prunk und Farbigkeit sollten die Besucher beeindrucken.
Bénazets Innenarchitekten Séchan und Bèrain schafften die Ihnen gestellte Aufgabe. Die meisten der geladenen Gäste staunten bei der feierlichen Eröffnung der neuen Säle am 11. August 1855.
Berühmte Gäste
Bis 1933 galten diese "Neuen Säle" als Treffpunkt der Badegesellschaft. Hier las man Zeitung, betrieb Konversation und pflegte Kontakte. Vor allem abends fanden hier Veranstaltungen statt. Überliefert sind große Essen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, aber auch Fasnachtsbälle.
Viele berühmte Künstler wurden für Gastspiele engagiert: Hector Berlioz, die schwedische Nachtigall Jenny Lind, Franz Liszt, Clara Schumann, Johannes Brahms sind nur einige der Namen der damals gefeierten Stars.
Gründung des Kurkomitées
Nachdem ein generelles Spielverbot schon lange im Gespräch war, schloss mit Ende der Saison 1872 die Badener Spielbank für über 60 Jahre. Damit blieb ein großer Teil des internationalen Publikums, das vor allem seinen Spaß am Spiel gehabt hatte, Baden-Baden fern.
Das Land ließ nach dieser schicksalsschweren Entscheidung seines Fürsten die Stadt Baden-Baden nicht im Regen stehen und kümmerte sich beispielhaft darum, Baden-Baden in ein Heilbad deutscher Prägung zu verwandeln. Im Rahmen dessen wurde erstmals ein Kurkomitée gegründet, das sich um das zukünftige gesellschaftliche und kulturelle Programm kümmern sollte.
Eine der Neuerungen war, dass das Kurhaus 1872/73 erstmals ganzjährig geöffnet blieb. 1870 erhielt der Restaurationsflügel eine überdachte Terrasse. Somit hatte man zwar die Symmetrie des Gesamtkomplexes zerstört, hatte aber den Wünschen des Gastronomiebetreibers Rechnung getragen.
Seit Mitte der 1870er veranstaltete das Kurkomitée alljährlich einen Maskenball im Kurhaus. Dieses Fasnachtsvernügen entwickelte sich zur wichtigsten närrischen Tradition in Mittelbaden. Ausser in Kriegs- und Notzeiten wurde der Ball stets in allen Räumlichkeiten durchgeführt. Bis zu 6.000 Närrinnen und Narren amüsierten sich bei der Musik von mehreren Kapellen und Orchestern.
In den 1890ern wurde im Großteil der Räume eine Zentralheizung eingebaut und die Beleuchtung wurde elektrifiziert. Ausserdem wurden der Konversationssaal (heute Weinbrennersaal) und Blumensaal renoviert.
Quelle: Robert Erhard "Aus der Chronik der Kaiserallee", Teil 2